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  • Autorenbild Sabine Fehrenbach

Du lernst nicht für die (Hunde)Schule…


Es zieht sich durch die Foren der öffentlichen „Hundeprofis“, durch die sozialen Medien und die Fernsehformate: Zeigt ein Hund Problemverhalten, ist der erste Ratschlag: Laste deinen Hund richtig aus, dann erledigt sich auch das Problemverhalten. Der 6 Monate alte Labrador, der Menschen anspringt und Übersprungverhalten zeigt: Mindestens 2 Stunden ans Fahrrad, dann wird das besser (Originalempfehlung einer Hundeschule) Aggressionsverhalten / Angst? Konfrontationstraining bis der Hund klein beigibt.

Es wird einem suggeriert, der Hund sei eine formbare, biologische Masse, die sich durch Training in jede wünschenswerte Richtung verbiegen lässt.

Hochspezialisierte Gebrauchshunderassen mit entsprechenden Anlagen werden durch Training zu belastbaren Therapiehunden – wer es nicht hin bekommt, trainiert nicht richtig / hat den falschen Trainer / die falsche Hundeschule.

Wer im Agilityparcours nicht glänzen kann, sollte über einen Vereinswechsel nachdenken, noch mehr üben, den Hund auswechseln? Wer keinen Welpenkurs besucht, ist selbst schuld, wenn aus dem Hund ein asoziales Kerlchen wird.

Irgendwo ist der gesunde Menschenverstand, bei den irrsinnig vielen Angeboten in punkto Hundetraining, auf der Strecke geblieben. Konnte ein Hund früher „Sitz“ und „Platz“ und reagierte einigermaßen auf seinen Namen, galt er als gut erzogen – fertig. Den Rest ließ man locker im Alltag miteinfließen.

Legt man sich heutzutage einen Hund zu, ruft man ein Heer von selbst ernannten Hundeverstehern / Flüsterern / Profis auf den Plan. Ungefragt erhält man „Expertentipps“ und Ratschläge, stöbert selbst stundenlang durchs Internet und findet nur Widersprüchliches. Es scheint nicht möglich zu sein, ohne einen Experten an der Seite, einen Hund zu halten. Der Hund an sich, ein Fulltimejob? Der Welpe muss, nach kürzester Zeit im neuen Zuhause, in eine Welpengruppe, sonst wird aus ihm ein problembehafteter, leinenpöbelnder Hund. Mag er sich nicht auf der Hundewiese ins bunte Getümmel stürzen, benimmt er sich komisch. Kann er nicht mit 12 Wochen Sitz, Platz, Fuß, an lockerer Leine gehen und klaglos stundenlang alleine bleiben, stimmt was nicht, hat man als Hundehalter versagt.

Beäugt er Artgenossen eher mit Skepsis, kommt er erst recht in eine Spielgruppe. Noch nie wurde mit Hunden so viel trainiert – und noch nie waren Hunde so verhaltensauffällig. Welpenförderung?

In vielen Vereinen und Hundeschulen liegt der Fokus schon sehr früh auf zweckgebundenen Interaktionen zwischen Mensch und Hund. Den Hund mittels Futter in bestimmte Positionen locken zu können, steht vor Vertrauen, Bindung und gegenseitigem Kennenlernen. Das Erreichen einer Begleithundeprüfung mit einstudierten Bewegungsabfolgen ist wichtiger, als alltagstaugliche Fähigkeiten wie Konfliktbewältigung, Gelassenheit und Selbstbewusstsein. Man hält sich im Alltag penibelst an die Regel, 5 Minuten Spaziergang pro Lebensmonat, trägt den Hund über Treppen und hat Angst den Gelenken, Bändern und Sehnen zu schaden und findet es aber völlig in Ordnung, wenn in einer Hundeschule, ach so niedliches, stürmisches Welpenspiel, in dem die putzigen Kleinen mit den anderen ( wild zusammengewürfelten Rassen) um die Wette toben dürfen.

Gerne auch mal länger, weil sie dann so schön müde sind. Und der große, tappsige Labbi hat das auch gar nicht böse gemeint, als er den kleinen Malteser umgerannt hat… er soll ja auch lernen, dass er aufpassen muss?!

Sozialisation, wie sie sich der Hundehalter wünscht, ist das nicht. Aber sicher: es gibt auch gut geführte Welpengruppen, in denen die Interaktion mit dem Bezugsmenschen im Vordergrund steht. Es gibt auch viele Vereine, die Hundeausbildung verantwortungsvoll betreiben: – In denen Umwelteindrücke, Ablenkungen, Artgenossen als etwas ganz Normales erlebt werden. – Begegnungen und Umgang mit souveränen Althunden auf dem Plan stehen, aber auch Spielsequenzen mit passenden Welpen / Hunden begleitet und geführt werden. – In denen Spaß und gemeinsame Verantwortung mit sinnvollem Training einhergehen.

Oft genügt es, die Menschen in ihrem privaten Umfeld zu sensibilisieren, was wirklich wichtig ist und worauf man achten sollte. Hundetraining kann man lernen, die meisten Hundehalter haben ein gutes Gespür für ihren Hund und brauchen oft nur ein wenig Unterstützung in Sachen Lernverhalten und Kommunikation.

Viele Hundehalter können das Leben mit ihren Hunden gar nicht mehr genießen, da sie regelrecht unter Druck stehen, immer irgendetwas mit dem Hund „machen“ zu müssen! Kein Spaziergang, auf dem der Hund nicht mit irgendwelchen Gehorsamsübungen, Sitz, Platz, Fuß eingedeckt wird.

Ein Tag einfach auf dem Sofa vertrödeln und nur zum Geschäftmachen raus? Darf man das? Aber unbedingt! Solange es nicht zur Regel wird… ketzerisch, oder? Mehrmals die gleiche Runde laufen? Für viele Hunde die blanke Wohltat… Schnüffeln, Stöbern, Buddeln – Hund sein kommt oft viel zu kurz! Spielgruppen? Hundewiese? Freies Welpenspiel / freies Hundespiel / Spielgruppen haben nicht nur positive Lernerfahrungen, sondern im schlimmsten Fall das Gegenteil, deshalb Vorsicht:

* dass der Hund nicht lernt, jeder andere Hund ist ein potentieller Spielgefährte. Das führt unweigerlich zu Frust, sollte das Spiel einmal nicht möglich sein. Die Aufmerksamkeit in Anwesenheit anderer Hunde, kann zum Problem werden. * dass der Hund nicht etwas lernt, was ich gar nicht möchte. Im Gruppenspiel braucht es mehr, als einen sehr gut ausgebildeten Trainer, die das Spiel aufmerksam und konzentriert begleiten und Mobbing und unschönes Spiel im Ansatz unterbrechen. Gemütliches Zurücklehnen, Plaudern und Kaffeetrinken ist da eher kontraproduktiv. * Nicht selten lernt der Welpe / Hund in der Spielgruppe: Angriff ist die beste Verteidigung, mobben lohnt sich und aggressives Verhalten bringt mich weiter. * Ängstliche Naturen lernen in so einer Gruppe sich nur noch mehr bestätigt zu fühlen, ihre Individualdistanz wird permanent unterschritten und ihre Signale nicht wahrgenommen. Sie werden oft völlig passiv und leblos – erlernte Hilflosigkeit nennt man das Resultat.

Training mit Junghunden? Hundesport? Ein gemeinsames Hobby für Mensch und Hund ist eine tolle Sache! Wird das „Training“ zum Hobby für beide Seiten? Phänomenal! Ist der Ehrgeiz eher einseitig, wird es schwierig. Wohlbefinden sollte an erster Stelle stehen! Selbstverständlich sollte man meinen? Nicht jeder Hund bringt die idealen Voraussetzungen für Turniersport mit!

Die wenigsten stellen zudem ihre Hunde erst einmal einem fachkundigen Tierarzt vor, ehe sie sich zum Agility, Frisbee, Zughundesport oder ähnlichen Aktivitäten anmelden. Nicht selten zeigen aber schon Junghunde Fehlstellungen in den Extremitäten, Gelenkbeschwerden oder auch einfach nicht den geeigneten Körperbau für solche Belastungen. Und einigen, die solche Sportarten anbieten ist es ziemlich wurscht, wie die Hunde ihre Kurse wieder verlassen -hauptsache die Kasse stimmt. Nachgefragt bei einem Anbieter, bekamen wir die Antwort, dass der Gesundheitszustand der Hunde, für ihn nicht wichtig sei..

Es ist aber nicht nur die körperliche Gesundheit, sondern auch die psychische. In großen Trainingsgruppen ist für die meisten Hunde der Stresspegel so hoch, dass sie gar nichts lernen, außer ihren Stresszustand mit der Anwesenheit der Artgenossen regelrecht zu konditionieren. Die physische Reaktion wird also bei jedem Artgenossen abgerufen. Zuverlässig, wie ein Uhrwerk. Und der hilfesuchende Hundehalter wundert sich, warum Hundebegegnungen immer schwieriger werden.

In einem guten Training ist es immer möglich auf Distanz zu gehen, wenn der Hund Schwierigkeiten in der Nähe zeigt. Mensch und Hund sollten sich wohlfühlen. Ruhephasen und sinnvolle Pausen wechseln sich überlegt ab.

Ein guter Trainer hat es nicht nötig über Zwangsmaßnahmen oder Schreckreize zu trainieren. Er sollte über ausreichendes Fachwissen verfügen, um mit verschiedenen Rassen, Hundetypen und Befindlichkeiten anders umzugehen. Er erzählt auch nicht wild aus dem Zusammenhang gerissene Abhandlungen über Dominanz und Rang – oder Rudelphänomene. Fazit: Eine ausgewogene Mischung aus Beschäftigung und Nichtstun …UND… Bauchgefühl mit gesundem Menschenverstand


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